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© De Gelderlander      Gepubliceerd op: 6.03.2006      

 

Wie Geschichte lebendig wird

Josef Niebur erzählt vom Schicksal der jüdischen Familie Landau. 
Sein Werk verbindet die belegten Daten mit fiktiven Dialogen.
Lehrer sollen ihren Schülern damit das Thema Holocaust nahe bringen.

Von CAROLA BORKERT

BOCHOLT. Die Idee entstand, als Josef Niebur vor zwei Jahren ins Euregio-Gymnasium eingeladen wurde: Vor den fünften und sechsten Klassen sollte der Geschichtsforscher vom Holocaust erzählen. Aber wie bringt man Kindern dieses Thema nahe? „Mir war klar, Daten und Fakten schrecken eher ab", erzählt Niebur. Ein persönliches Schicksal dagegen könnte die Jugendlichen packen. Und so dachte Niebur sich eine Geschichte aus, die jetzt als Unterrichtsmaterial für die Sekundarstufe I – also die fünften bis zehnten Klassen aller weiterführenden Schulen – aufgearbeitet wurde und in diesen Tagen an die Lehrer verteilt wird.
Unter dem Titel: „Herr Becks, Herr Becks, die bringen uns um..." erzählt Niebur die fiktive Geschichte der Bocholter Familie Landau. „Die Familie hat es wirklich gegeben", betont Erster Stadtrat Bernd Hagmayer, der das Werk gestern öffentlich vorstellte. Doch Niebur hat ihr Erlebnisse zugeschrieben, die andere Juden gemacht haben. Denn die Überlieferungen aus der Nazizeit in Bocholt sind sehr lückenhaft. Niebur forscht an dem Thema schon seit über 20 Jahren. Unter anderem befragte er über 50 Zeitzeugen, forschte in Archiven und schrieb Bücher. So ergab sich ein riesiges Mosaik, ein „Flickenteppich an historischen Wahrheiten", die Niebur jetzt zu einer Geschichte verdichtete. Die beschriebenen Daten – Heirat der Eheleute Cilli und Ernst Landau, Geburt von Sohn Leo, die Umzüge der Familie, die Deportation 1941 und die Ermordung der gesamten Familie – sind belegt; die Dialoge dagegen sind zwar so gesprochen worden, aber nicht von Cilli und Ernst Landau. Sie stammen aus den zahlreichen Interviews mit Bocholter Zeitzeugen. 
Mit der Hochzeit der Landaus 1935 beginnt die Geschichte, dann erzählt sie, wie das Ehepaar immer stärker ausgegrenzt wird, wie der Mann die Kapelle des Schützenvereins verlassen muss, wie die Familie von den Nachbarn aus mehreren Wohnungen geekelt, wie Sohn Leo angefeindet wird. Im Herbst 1941 stürmt Cilli Landau mit einem Brief in das Lebensmittelgeschäft von Karl Becks. Es ist der Deportationsbescheid: „Herr Becks, Herr Becks, wir haben Bescheid. Wir müssen weg. Die bringen uns um!", ruft Cilli. Und sie behält Recht. 
Erst können die Landaus ihren Sohn in Riga zwar noch vor dem sicheren Tod bewahren, als sie ihm verbieten, einen Schlitten zu besteigen, der die Alten und Schwachen ins Getto bringen soll. Er kommt dort nie an. Doch dann werden Leo und Cilli wenig später bei einem Appell im Schnee erschossen, weil der Junge leise über die Kälte klagte. Auch der Vater wird später in Riga ermordet. 
Hauptanliegen der Erzählung, so Niebur, sei, „dass Ereignisse, wie sie in dieser Geschichte beschrieben werden, nie wieder geschehen können". Die Lehrermappe enthält deshalb nicht nur die Geschichte, sondern auch Worterklärungen und Informationen über nahe Synagogen, die mit den Schülern besichtigt werden können.
 
Einen zweiten Teil der Unterrichtsmaterialien zum Thema Holocaust und Deportation hat Niebur schon in Arbeit. Es sind über 80 Dokumente von 1933 bis 1980, die allerdings erst noch pädagogisch aufbereitet werden müssten. „Dann könnte das für ältere Schüler interessant sein", meint Niebur.

© Bocholter-Borkener Volksblatt      Im BBV veröffentlicht am: 29.04.2003      im Ressort: Bocholt

 

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07-03-2006 box1@mizrach.org