Aus der Presse


28.11.2006

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STÄNDIG WACHSENDES DENKMAL
(von Renate Witteler)

Der Künstler Gunter Demnig stellt sich und sein Projekt “Stolpersteine” vor. Diese erinnern an Opfer der NS-Zeit. In Bocholt sollen Anfang des Jahres zunächst zehn dieser Steine mit einer Messingplatte vor den früheren Wohnorten der Opfer gelegt werden.

Fast 10000 “Stolpersteine” in fast 200 Städten hat der Kölner Künstler Gunter Demnig bereits verlegt. “Das ist ein ständig wachsendes Denkmal”, erklärte er am Montagabend bei einer Infoveranstaltung im Rathaus. Ende Februar wird er nun die ersten zehn, mit Messingplatten versehenen Steine in Bocholt legen - vor die früheren Wohnorte von Juden und anderen Opfern, die in der NS-Zeit ermordet wurden.

Sieben Hauseigentümer hätten bereits ihre Zustimmung gegeben, erklärte der stellvertretende VHS-Leiter Reinhold Sprinz. Drei weitere seien angeschrieben worden. “Weil es sich dabei um Erbengemeinschaften handelt, haben wir von denen  noch keine Antwort.” Aber das habe ja auch Zeit. “Es geht jetzt erst einmal darum, einen Anfang zu machen.” Grundsätzlich sei das Projekt bei den Hausbesitzern positiv aufgenommen worden.

“Um zentrale Gedenkstätten kann man einen großen Bogen machen, die bleiben anonym. Bei den Stolpersteinen ist das anders”, sagte Demnig, der ausführlich auf seine künstlerische Laufbahn einging. Diverse, halb-illegale Aktionen habe er vor dem Stolperstein-Projekt gestartet. 1971 habe er etwa auf das Schaufenster seines Ateliers in Berlin-Kreuzberg eine abgewandelte US-Flagge angebracht. Totenköpfe statt Sterne: Klar, das sei eine Kritik am Vietnam-Krieg gewesen. Der spätere Innenminister Otto Schily habe ihn deshalb damals vor Gericht verteidigt.

Zu seinen weiteren Aktionen zählte das Setzen von “Duftmarken” in Form einer Schriftspur zwischen Kassel und Paris, eine “Blutspur” zwischen Kassel und London, Fäden von der Kasseler Documenta zur Biennale in Venedig sowie die Vergrabung von Kartuschen mit Landschaftsbeschreibung und Bodenproben. 1990 habe er dann zur Erinnerung an die in der NS-Zeit deportierten Sinti und Roma in Köln eine “Kreidespur” mit Fassadenfarbe gelegt. Anschließend habe er 21 Mal Platten mit der Schriftspur verlegt, die auf diese Deportation hinwies. Und eben dies sei der Auslöser für die Stolperstein-Idee gewesen. Die jüdische Gemeinde in Köln, wo er 1996 die ersten Steine legte, habe ihm gesagt: “Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist”, sagte Demnig.

Je mehr Menschen über das Messing auf den Stolpersteinen liefen, desto blanker werde dieses Material. “Erinnerung wird blank poliert. Das war die Grundidee, doch das klappt nur in großen Städten”, sagte Demnig. “In kleineren Städten machen die Menschen aus Ehrfurcht einen Bogen um die Steine. Aber man kann sie auch putzen.” Dann leuchte das Messing, in das die Namen der von den Nazis Ermordeten eingraviert sind, ebenfalls.