Aus der Presse


12.02.2007

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'STÄNDIG' MIT DEN AUGEN 'STOLPERN'
(von Renate Witteler)

Die ersten zehn “Stolpersteine” in Bocholt sind verlegt. Auf ihrer glänzenden Messingoberfläche sind die Namen von Bürgern graviert, die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden.

Elisabeth Fehler und ihr Sohn Josef schauen zufrieden auf den “Stolperstein”, den der Künstler Gunter Demnig in den Bürgerstein einlässt. “Hier wohnte Josef Fehler, Jg. 1893, deportiert 1945, KZ Neugamme, tot 1945” steht auf der Messingplatte, die den Stein ziert. Es ist der Name ihres Schwiegervaters, der öffentlich gegen die Unrechtstaten der Nazis protestierte und deshalb im KZ landete. “Ich habe meinem Mann versprochen, das Erbe seines Vaters in Ehren zu halten”, sagt Elisabeth Fehler. Deshalb freue sie sich ganz besonders über diesen Stolperstein. “Wir fühlen uns geehrt.”

Ursprünglich sollte dieser Stein genau auf der Kreuzung Münsterstraße/Theodor-Heuss-Ring - auf der linken Verkehrsinsel stadteinwärts - verlegt werden. Denn dort war der Eingang des Hauses an der Münsterstraße 4, in dem Fehler sein Eisenwarengeschäft hatte. “Aber es wäre bei einer Führung mit Schülergruppen problematisch geworden, auf der Insel zu stehen", erklärt Reinhold Sprinz vom Koordinierungskreis "Stolpersteine". Aus “pragmatischen Gründen” werde der Stein deshalb in den Bürgersteig am Ring verlegt - eine Stelle, auf der aber auch ein Teil des Hauses stand.

Der Fehler-Stolperstein war der erste von zehn Steinen zur Erinnerung an Bocholter Nazi-Opfer, die Demnig gestern an sieben Stellen in der Stadt verlegte. Der Anstoß für die Aktion sei von einem Geschichtskurs des St.-Georg-Gymnasiums gekommen, lobte Bürgermeister Peter Nebelo. Und Brigitte Eckers habe die Idee zeitgleich in den Schul- und Kulturausschuss eingebracht. Nebelo: “Ich finde die Idee ausgesprochen gut.” Historische Spuren würden damit gelegt. Gleichzeitig mahnten die Steine, die Menschenwürde von Minderheiten einzuhalten und dafür einzutreten.

“Ich habe zwischenzeitlich schon gedacht: Ob ich das Verlegen der Stolpersteine noch erlebe?”, sagte Tim van Harten. Denn dreieinhalb Jahre habe es von der Idee bis zur Verwirklichung gedauert. In der Jahrgangsstufe neun waren er, Franziska Loock und die anderen 23 Schüler, als sie für ihre Spurensuche zum Thema Nationalsozialismus in Bocholt einen mit 250 Euro dotierten Preis der Bundeszentrale für politische Bildung erhielten. Geld, von dem die Schüler, die inzwischen in der zwölften Klasse sind, Stolpersteine finanzierten.

“Das Problem ist, dass man gesicherte Daten haben muss”, erklärt Schülervertreter Benedikt Methling, der auch im Koordinierungskreis sitzt, der sich um die Organisation und die Zustimmung der Hausbesitzer kümmert. “Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.” Das habe ihm die jüdische Gemeinde in Köln, wo er 1996 die ersten Steine legte, berichtet Demnig. Geschichtslehrer Hermann Oechtering sagte: “Wir sind heute ermutigt, weiterzumachen.”